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KI-Eisberg voraus – wie vermeiden wir den Titanic-Moment?

ca. 5 Minuten

Die Finanzbranche will KI nutzen – doch nur wer Regulierung, Prozesse, Infrastruktur und Kultur zusammendenkt, kann sie nachhaltig verankern. Das Expertenpanel auf dem Executive Summit 2025 machte deutlich, wo die zentralen Hebel liegen.

Moderator Sascha Dölker eröffnete das Panel mit einem klaren Bild: Künstliche Intelligenz (KI) sei im Alltag angekommen. Viele Menschen nutzten sie bereits täglich. KI könne sogar ein neuer Kanal sein, um jüngere Zielgruppen zu erreichen, weil Marken durch Conversational KI anders sprechen.

Automatisierung könne zudem helfen, demografische Herausforderungen zu meistern und effizienter zu arbeiten. Gleichzeitig zeige eine Studie der amerikanischen Technologie-Hochschule MIT, dass rund 95 Prozent der KI-Pilotprojekte scheitern, weil sie entweder nicht beendet werden oder nur Prototypen ohne messbare Mehrwerte wie einen Return-on-Investment (ROI) bleiben. Damit entstehe eine Kernfrage: Wie vermeiden Unternehmen die Hype-Falle – und wie orchestrieren sie Prozesse und Technologie so, dass echte Mehrwerte entstehen?

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Ohne Zielbild keine Skalierung

Viele Unternehmen erproben heute KI, ohne ein klares Ziel vor Augen zu haben, sagte Tim König, Head of Generative AI bei adesso SE: „Wenn wir mit einem Proof of Concept anfangen, ist alles leicht, aber wenn es um die Skalierung geht, kommen auf einmal die Probleme: Wir reden dann über eine Plattform, über eine Strategie und über Change, also darüber, wie wir die Menschen mitnehmen. Möchte ich effizienter arbeiten oder ein neues Geschäftsmodell entwickeln? Darüber muss man sich zu Anfang Gedanken machen, und das passiert oft nicht.“

Der KI-Experte betonte, dass Effizienzgewinne zwar leicht zu realisieren seien, die wichtigere Frage jedoch laute: „Ist das überhaupt der Prozess, den ich bedienen will, oder will ich den Markt ganz anders gestalten?“ Denkbar sei beispielsweise eine Finanzbranche ohne klassische Apps, in der Kundinnen und Kunden über zentrale Oberflächen wie ChatGPT und Co. interagieren und direkt Geschäfte abschließen.

KI – ein kraftvolles Werkzeug

Volker Riebesell, Member of the Executive Board der Clearstream Europe AG, betonte:

Wir brauchen KI, um die Qualität auf eine höhere Stufe zu bringen. Neue Produkte werden entstehen und der Anspruch bleibt Stabilität.

Die neue Technologie muss natürlich erlernt werden: „KI ist ein weiteres Werkzeug im Kasten. Dieses Werkzeug ist sehr kraftvoll, man kann sich daran schneiden; aber wir haben auch alle gelernt, mit Messer und Gabel zu essen.“ Riebesell plädierte für Nüchternheit, Offenheit und Optimismus im Umgang mit KI. Aus Sicht der Marktinfrastruktur seien Verlässlichkeit und Stabilität wesentlich. Gerade im Bankenbereich reiche es nicht, zu 95 Prozent richtig zu liegen. Wenn es um Settlement oder Unternehmensrechte gehe, müsse die Technologie verlässlich sein.

Cloud, Compliance und Tempo ausbalancieren

Für eine skalierbare KI-Nutzung sei eine moderne, cloudbasierte IT-Infrastruktur zentral. Wie aber lassen sich regulatorische Erwartungen, Sicherheit und Geschwindigkeit bei der KI-Nutzung in Einklang bringen?

Wir alle wollen Geschwindigkeit, aber ohne Abstriche bei der Sicherheit. Deshalb muss man von der Compliance und Sicherheit aus starten. Wir sagen immer: Fail Fast – man muss viel ausprobieren, aber natürlich in sicheren Umgebungen. Wenn wir über die Produktivumgebung sprechen müssen die Leitplanken alle da sein.

Das Vorurteil, Cloud führe zu Kontrollverlust, wies Hoischen zurück: „Man weiß, wo die Daten liegen und sie werden bei uns in Frankfurt verarbeitet. Man kann alles auditieren, tracken, und hat die Transparenz darüber, wer Zugriff auf die Daten hat.“ 

Akzeptanz schaffen: Prozesse, Menschen, Kontext

Eine zentrale Herausforderung sei die Akzeptanz im Unternehmen. Mitarbeitenden müsse die Angst vor Jobverlust genommen werden. Dafür brauche es gemischte Teams, wie Volker Riebesell erläuterte. Es bringe wenig, ausschließlich technikaffine Nachwuchskräfte einzusetzen, die zwar schnelle Prototypen liefern, aber oft die Geschäftsprozesse noch nicht kennen. Nachhaltige Ergebnisse entstünden erst, wenn erfahrene Mitarbeitende eng eingebunden werden. Ihr Prozesswissen sei deutlich wertvoller als reines Tool-Know-how. Unternehmen sollten klar vermitteln, dass bestehende Expertise weiterhin zentral bleibt – denn KI entfaltet ihren Wert erst im Zusammenspiel mit Prozessen, Fachwissen und Kontext.

Tim König ergänzte: „Ein wichtiger Punkt ist das Mindset. Fail Fast ist leicht gesagt, aber wer geht wirklich offen mit der Fehlerkultur um?“ Dabei sei gegenseitiger Respekt notwendig, um Prozesse ganz neu denken zu können. „Extrem wichtig ist, dass die Vorstände und Entscheider mitmachen“, betonte Edmund Hoischen. „Es muss klar top-down definiert werden: Wir haben ein gemeinsames Verständnis, das sind die Zielsysteme, warum wollen wir das erreichen. Außerdem: Wie bekommen wir es hin, dass die Teams die gleiche Sprache sprechen?“

Rollen im Wandel

Auf die Rolle der mittleren Führungsebene angesprochen, sagte Volker Riebesell: „Ich glaube, jeder, der Menschen produktiv führt, hat die Verpflichtung zu wissen, was KI für ihn bedeutet. Du kannst nur lenken, wenn du verstehst, und das macht dich glaubwürdig.“ 

Die Rolle des mittleren Managements werde sich verändern. Edmund Hoischen ergänzte: „Die Frage ist, welche Mehrwerte, die ich in meiner Rolle kreiere, nicht voll automatisierbar sind. Und wie ich in meiner Rolle besser werden kann – mit der Unterstützung von Wissen.“ Tim König beschrieb die Folgen, wenn administrative Aufgaben künftig wegfallen:

Wie viel lässt sich automatisieren? Ganz viel. Übrig bleibt, die richtigen Menschen richtig zu motivieren und dafür zu sorgen, dass alle verstehen, was ist unser Ziel und wie kann ich die gesamte Organisation dahin bringen. Das ist es, was das mittlere Management machen muss.

Heute können sich viele hinter administrativen Aufgaben verstecken, dieser Schutzraum werde aber kleiner. Und dann geht es wieder um Führung, wie es eigentlich sein sollte.

Sieben Erfolgsfaktoren für die KI-Adoption

Wie eine fundierte Strategie aussehen kann, um die KI-Adoption als Teil eines umfassenden Transformationsprozesses zu gestalten, erklären Matthias Günther, Innovationsmanager in der Abteilung Digitale Innovationen, und Sascha Dölker, Leiter Digitalisierung bei der dwpbank, in einem Gastartikel bei „Der Bank Blog“. Mehr lesen Sie hier.

Den KI-Eisberg umschiffen

Abschließend fragte Sascha Dölker die drei Experten aus dem Cloud-, Beratungs- und Marktinfrastruktur-Umfeld: „Wie navigiert ihr persönlich diese Reise?“ Volker Riebesell blieb bei seiner Antwort im Bild: „Für eine Arktisreise brauche ich eine Menge Optimismus, aber Optimismus heißt nicht Waghalsigkeit.“ Edmund Hoischen betonte die Bedeutung von Wertemodellen: „Was differenziert uns als Team und als Organisation, wofür stehen wir? Wir nutzen KI und sind offen, denn ich glaube, KI wird unser Leben viel einfacher machen.“ Tim König empfahl, KI aktiv einzusetzen und keine Angst vor Fehlern zu haben: „Wir sollten dieses Feuer wieder bekommen, uns mit coolen neuen Sachen auseinanderzusetzen. Denn KI wird unser aller Leben massiv verändern.“

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