ESG soll denselben Stellenwert wie Risikomanagement oder Compliance erhalten, sagt Dilek Tikiz, ESG-Beauftragte der dwpbank. Denn nachhaltiges Handeln ist die Grundlage für Stabilität, Vertrauen und Erfolg.
Dilek, was beschäftigt dich als ESG-Beauftragte der dwpbank gerade besonders?
Aktuell sind es vor allem zwei Dinge, die uns im ESG-Team stark fordern, und ehrlich gesagt auch motivieren: Zum einen arbeiten wir intensiv daran, ESG wirklich in unserem Geschäftsmodell zu verankern. Zum anderen beschäftigen uns die sich ständig ändernden regulatorischen Anforderungen, vor allem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
Die Herausforderung liegt darin, diese Vorgaben nicht nur abzuarbeiten, sondern so umzusetzen, dass sie uns und unseren Kunden einen echten Mehrwert bringen.

Wir wollen ESG nicht nur erfüllen, sondern sinnvoll gestalten – als etwas, das Vertrauen schafft und Veränderung ermöglicht.
Dilek Tikiz, ESG-Beauftragte der dwpbank
Deshalb überlegen wir zum Beispiel konkret: Wie beachten wir ESG-Kriterien bei neuen Produktentwicklungen? Wie werden wir als Unternehmen vielfältiger? Oder wie können wir unseren CO₂-Fußabdruck im Betrieb reduzieren?
Also ist Nachhaltigkeit für die dwpbank mehr als eine regulatorische Pflicht?
Natürlich gibt es eine Vielzahl gesetzlicher Anforderungen, aber Nachhaltigkeit ist für uns weit mehr als eine Pflichtübung. Sie betrifft zentrale Fragen: Wie sichern wir unsere wirtschaftliche Stabilität in einer sich wandelnden Welt? Wie bleiben wir als Bank glaubwürdig und attraktiv?
Als Wertpapierdienstleister bewegen wir uns in einem hochregulierten Umfeld. Und genau deshalb sehen wir es als unsere Verantwortung, nicht nur die Regeln zu befolgen, sondern aktiv mitzugestalten – für unsere Kinder und Enkelkinder.
Diese Verantwortung leben wir ganz konkret, etwa durch unseren Verhaltenskodex, ein robustes Three-Lines-of-Defense-Modell zur Überwachung und Risikosteuerung und die konsequente Verankerung von ESG in unserer Unternehmensstrategie. Nachhaltigkeit ist für uns kein Trendbegriff, sondern ein fester Teil unseres unternehmerischen Selbstverständnisses. Nicht nur weil wir müssen, sondern weil wir überzeugt sind: Wer langfristig erfolgreich sein möchte, muss mit Weitsicht handeln – wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich.
Gibt es ein Herzensprojekt im Bereich ESG, auf das du besonders stolz bist?
Definitiv: Unser erster Nachhaltigkeitsbericht ist für mich ein echtes Herzensprojekt. Warum? Weil wir ihn erstellt haben, bevor wir überhaupt dazu verpflichtet waren. Weil wir überzeugt waren: Es ist richtig, das zu tun.
Das war ein echter Kraftakt. Wir haben den gesamten Prozess intern eigenständig durchgeführt. Dabei ging es nicht nur ums Berichten, sondern darum, unsere eigenen Prozesse besser zu verstehen und Daten zu uns erstmalig zu erheben. Am Ende stand nicht nur ein fertiges Dokument, das uns zeigte, wo wir stehen, sondern ein abteilungsübergreifendes Team, das sich gemeinsam für ein Ziel stark gemacht hat. Das war ein besonderer Moment.
Welche ESG-Schwerpunkte habt ihr identifiziert, die für uns als regulierter Wertpapierdienstleister besonders relevant sind? Und wie seid ihr dabei vorgegangen?
Erstens den Klimawandel, etwa mit Blick darauf, wie wir unsere betrieblichen Emissionen reduzieren, zum Beispiel durch E-Autos im Fuhrpark. Oder wie wir die Einführung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für Hard- und Software etablieren. Zweitens den Bereich Mitarbeitende mit Themen wie Vielfalt, Weiterbildung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und drittens das Handlungsfeld Governance, also unter anderem die Frage, wie wir risikobewusstes Verhalten fördern und Verantwortung klar verankern.
Diese Themen sind jetzt Bestandteil unserer ESG-Roadmap bis 2026. Mit konkreten Zielen, messbaren Kontrollindikatoren und Verantwortlichkeiten. So wird aus der Analyse aktive Umsetzung.
Im Bereich „Social“ sind vor allem Vielfalt, Förderung und Inklusion viel verfolgte Ansprüche von Unternehmen. Wieso? Und wie ist die dwpbank hier aufgestellt?
Weil Vielfalt nicht nur ein gebotenes Ziel ist, sondern ein echter Erfolgsfaktor. Sie macht den Arbeitsalltag kreativer, widerstandsfähiger und letztlich auch erfolgreicher. Gerade in einer Branche wie unserer, in der Vertrauen und Kommunikation entscheidend sind, profitieren wir von unterschiedlichen Perspektiven – in unseren Teams, bei Entscheidungen und im Umgang mit unseren Kundeninstituten.
Heute arbeiten bei uns Menschen aus 33 Nationen, fast 43 Prozent unserer Mitarbeitenden sind Frauen. Gleichzeitig wissen wir: Bei unserem aktuellen Frauenanteil von rund 22 Prozent in Führungspositionen haben wir noch Luft nach oben. Deshalb fördern wir gezielt Gleichberechtigung: zum Beispiel mit unserer Initiative „power.women.dwpbank“, mit anlaufenden Trainings zu „Unconscious Bias“, also unbekannten Denkmustern, mit diverser Ansprache im Recruiting und unserem geplanten Engagement im Rahmen der „Charta der Vielfalt“.
Unsere Führungskräfte haben, gemeinsam mit ihren Teams und unterstützt durch die Organisation, eine besondere Rolle, wenn es darum geht, ein inklusives Arbeitsumfeld zu gestalten.
Vielfalt entfaltet sich nicht automatisch, sie braucht Haltung, Offenheit und konkrete Impulse im Alltag. Deshalb ist es uns wichtig, Führungskräfte auf allen Ebenen für dieses Thema zu sensibilisieren und sie dabei zu begleiten.
Dilek Tikiz, ESG-Beauftragte der dwpbank
Gleichzeitig setzt auch unser Vorstand ein klares Zeichen, indem das Thema Vielfalt auf oberster Ebene sichtbar gemacht und mitgetragen wird.
Klimaschutz ist ein großes ESG-Thema. Aber wie aussagekräftig sind CO₂-Zahlen eigentlich? Und was braucht es, damit der Handlungsdruck wirklich ankommt?
CO₂-Zahlen sind wichtig, aber sie erzählen oft nur die halbe Geschichte. Eine Zahl allein sagt wenig darüber aus, welche Veränderungen dafür nötig sind oder welche Auswirkungen sie langfristig haben. Oft fehlt der Bezug: Was bedeutet eine eingesparte Tonne CO₂ eigentlich im Alltag? Was kostet sie und was verhindert sie?
Deshalb geht es uns nicht nur darum, Emissionswerte zu erheben, sondern sie auch verständlich zu machen. Ein Beispiel: Wir haben als dwpbank im Jahr 2024 82.000 Tonnen CO₂-Emissionen verursacht. Das entspricht in etwa den Emissionen von rund 8.000 durchschnittlichen Einzelhaushalten in Deutschland pro Jahr. Solche Vergleiche machen die Dimensionen greifbarer und damit den Handlungsdruck auch nachvollziehbarer.
Gleichzeitig entwickeln wir eine Dekarbonisierungsstrategie, die nicht nur Bereiche wie Energieverbrauch, IT-Infrastruktur, Gebäude oder Mobilität abdeckt – zum Beispiel durch die Umstellung unserer Dienstwagenflotte auf E-Autos. Sondern auch die Frage stellt: Wo haben wir indirekten Einfluss, etwa durch unsere Dienstleister oder durch unser Einkaufsverhalten? Immer mit dem Ziel vor Augen, bis spätestens 2045 klimaneutral zu wirtschaften.
Klimaschutz darf nicht in Tabellen enden. Er muss spürbar, erzählbar und anschlussfähig sein. Nur so wird in Unternehmen und darüber hinaus tatsächlich etwas bewegt.
Dilek Tikiz, ESG-Beauftragte der dwpbank
Wie du schon sagst: Viele Nachhaltigkeitsziele erreicht man nur mit der Akzeptanz und Unterstützung in der Belegschaft. Wie etabliert man eine ESG-Kultur, die wirklich gelebt wird?
Kultur kann man nicht verordnen, sie muss entstehen. Dabei muss ESG von der obersten Führungsebene ausgehend gelebt werden. Mit der Einrichtung eines cross-funktionalen ESG-Bords, der Anbindung an den Vorstand und der konkreten Beauftragung des Themas mit klaren Verantwortlichkeiten haben wir dafür eine gute organisatorische Basis geschaffen. Und gleichzeitig schaffen wir Raum für die aktive Mitgestaltung in Form von Austausch- und Mitmachformaten.
Ein Beispiel dafür ist unsere Zukunftswoche: Eine Woche voller Aktionen wie ESG-Challenges, Talks und Impulsen zu dem Thema, die im November letzten Jahres ihren Auftakt hatte und dieses Jahr Ende Oktober wieder stattfinden wird.
Wir merken: ESG wird dann Teil der Kultur, wenn es alltagsrelevant wird.
Und inwiefern muss die dwpbank ihre Lieferkette prüfen?
Gerade als Finanzdienstleister sind wir oft nicht am Anfang der Wertschöpfung, aber mittendrin. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Verantwortung ernst nehmen.
Wir analysieren jährlich alle relevanten Dienstleister hinsichtlich Risiken wie Menschenrechte, fehlendem Arbeitsschutz oder Chancengleichheit – im Einklang mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
Aber wir gehen auch darüber hinaus: Wir schulen intern, führen mit Dienstleistern Dialoge, geben Feedback und erwarten im Gegenzug Transparenz und Fairness. Verstöße gegen unsere Standards werden konsequent verfolgt – ganz gleich, auf welcher Ebene.
Zum Schluss werfen wir noch einen Blick in die nahe und ferne Zukunft. Wie sieht Erfolg für dich im ESG-Kontext aus: Wo soll die Branche und wo die dwpbank am Ende dieses Jahres und in zehn Jahren idealerweise stehen? Und woran erkennst du, dass wir auf dem richtigen Weg sind?
Erfolg ist für mich kurzfristig, wenn ESG nicht als Pflicht, sondern als Vorteil verstanden wird. Wenn Mitarbeitende bei Entscheidungen automatisch mitdenken: Wie wirkt sich das auf Umwelt, Menschen und auf die Bank aus?
Langfristig wünsche ich mir, dass ESG in der Finanzbranche denselben Stellenwert bekommt wie Risikomanagement oder Compliance – weil beides untrennbar miteinander verbunden ist. Für uns als dwpbank heißt das konkret, dass wir unsere CO₂-Ziele erreichen, Vielfalt sichtbar steigern sowie Vertrauen stärken und dabei unsere Innovationskraft unter Beweis stellen.
Woran ich merke, dass wir auf dem richtigen Weg sind? An der Motivation unserer Mitarbeitenden, an vielfältigen Rückmeldungen und allem voran an der Tatsache, dass wir nicht auf externe Vorgaben warten, sondern proaktiv vorangehen. So weiß ich: Es bewegt sich etwas.
Zur Person
Derzeit promoviert sie an der juristischen Fakultät der Universität zu Köln zum Thema „Nachhaltigkeitsanforderungen an Finanzunternehmen“. Seit 2024 Jahren ist Tikiz Teil des ESG-Teams der dwpbank und verantwortet als ESG-Beauftragte die strategische Ausrichtung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen.